Ich habe in verschiedenen Personalfunktionen in Deutschland, der Schweiz und den USA gearbeitet und habe dabei immer wieder feststellen können, wie unterschiedlich Auswahlverfahren von Land zu Land sind.
Dies hat sehr viele unterschiedliche Gründe: Zum einen prägen natürlich die rechtlichen Rahmenbedingungen den Personalauswahlprozess – wie z.B. der Kündigungsschutz, gesetzliche und reguläre Kündigungsfristen, ein Gleichbehandlungsgesetz oder Visabestimmungen des Landes bei ausländischen Bewerbern – um hier nur einige Beispiele zu nennen. Genauso entscheidend sind aber auch die kulturellen Komponenten.
Was solltest du bei amerikanischen Auswahlverfahren besonders beachten? Wo liegen die Unterschiede oder sogar Stolpersteine?
- Gestaltung der Bewerbungsunterlagen:
Wie auch in Deutschland ist der Lebenslauf (resume) und das Anschreiben/Motivationsschreiben (cover letter) bei der Bewerbung ein Muss. Allerdings gibt es hier ein paar feine aber nicht unwesentliche Unterschiede, die der amerikanische Gesetzgeber vorgesehen hat: So ist es beispielsweise nicht üblich und auch nicht erwünscht, dass Bewerber ihr Geburtsdatum angeben oder ein Foto in den Lebenslauf einfügen. Dies gilt übrigens genauso beim Bewerbungsgespräch. Fragen z.B. zu Alter, Religion, der Ethnie etc. sind seitens der Personalabteilung absolut tabu und werden einem Bewerber in der Regel auch nicht gestellt. Und auch du solltest dein Alter oder ähnliches in einem Interview nicht erwähnen. Diese Regelung ist auf verschiedene Gleichbehandlungsgesetze in den USA zurückzuführen, wie z.B. den Age Discrimination Act.
- Zeitraum zwischen Personalentscheidung und Arbeitsbeginn:
Meiner Erfahrung nach werden in der amerikanischen Wirtschaftswelt Entscheidungen wesentlicher schneller getroffen. Es wird außerdem sehr viel Wert darauf gelegt, dass Dinge vorwärtsgehen und das in einem zügigem Tempo (Time is Money!). Daher können Bewerber damit rechnen, dass die Rückmeldung nach Bewerbungseingang oder nach erfolgtem Vorstellungsgespräch schneller erfolgen wird.
Auch darf man nicht überrascht sein, wenn der neue Arbeitgeber einen bittet, bereits in ein oder zwei Wochen anzufangen – dies ist in den USA nicht ungewöhnlich. Dazu muss man wissen, dass die Kündigungsfrist in den USA deutlich kürzer ausfällt – der Standard sind 14 Tage. Diese Regelung hat immer zwei Seiten: Es bietet dem Arbeitgeber zum einem die Möglichkeit, eine/n Mitarbeiter/in mit einer Zwei-Wochen-Frist zu entlassen. Es bietet aber auch dir selbst die Flexibilität, dich recht schnell von einer unpassenden Stelle lösen und eine neue Herausforderung annehmen zu können.
- Kulturelle Unterschiede:
Die USA ist ein Land mit einer recht niedrigen Machtdistanz. Hierarchien sind in der Regel flacher als in Deutschland, man ist recht schnell beim Vornamen (per Du ist man durch das you ja automatisch schon).
Ungezwungenheit, Freundlichkeit und Smalltalk sind äußerst wichtig und tief in der Kultur verankert. So steigt man meist recht locker, aus deutscher Perspektive fast schon „freundschaftlich“ in ein Bewerbungsgespräch ein. Im Smalltalk tauscht man sich gerne über das Wetter oder die Sportergebnisse aus. Ein weiteres gutes Thema ist auch, in welchem Bundesstaat jemand aufgewachsen ist, schließlich sind die Amerikaner ein recht abenteuerlustiges Volk, das gerne und oft von state zu state zieht. Auch in einem Assessment-Center, in einer Veranstaltung, in der man meist nur ernste Mienen erwartet, ist eine offene und freundliche Atmosphäre überaus wichtig. Man sollte dies allerdings nicht missverstehen und die Anforderungen auf keinen Fall unterschätzen, denn genauso wie in Deutschland wird auch hier Konkurrenz- und Leistungsdruck herrschen.
Darüber hinaus können Amerikaner mit der Unsicherheit, die in gewissem Maß bei jeder Personalentscheidung herrscht, besser umgehen. Den jüngsten Mitarbeiter im Team zum Abteilungsleiter befördern? – Wieso nicht! Es werden jüngeren Mitarbeitern oft mehr Chancen gegeben, sich zu beweisen als wir das aus Deutschland kennen, wo Seniorität oder langjährige Berufserfahrung meist ausschlaggebend sind, um eine höhere Position zu ergattern.
- Instrumente in der Personalauswahl:
Assessment Center werden heutzutage in vielen Ländern dieser Welt durchgeführt, um die Arbeitsleistung und die Passung zu Stelle und Unternehmen bestmöglich beurteilen und vorhersagen zu können. Aus meiner Erfahrung ist es in den USA recht üblich, dass Kandidaten gebeten werden, vor dem Bewerbungsgespräch ein Mini Online-AC, bestehend aus Leistungs- und Persönlichkeitstest durchzuführen. Die Ergebnisse dieses Screenings werden dann herangezogen, um zu beurteilen, ob der oder diejenige zum ausgeschriebenen Stellenprofil passt, und die Persönlichkeit des Bewerbers im Team harmonieren wird.
Manchmal wird der Bewerber auch gebeten, eine Arbeitsprobe einzureichen. Diese kann je nach Position variieren. So wird ein Jurist eine andere Art von Arbeitsprobe vorlegen müssen als ein Graphikdesigner. Für Tätigkeiten im Büro (bei denen u.a. Kommunikationskills, guter sprachlicher Ausdruck und Details auf der Anforderungsliste stehen) kann z.B. eine writing sample verlangt werden. Die Aufgabenstellungen bei der writing sample können sehr unterschiedlich ausfallen. So kann eine Variante davon sein, dass du nach dem Vorstellungsgespräch gebeten wirst, das Bewerbungsgespräch und den genauen Ablauf detailgetreu in schriftlicher Form widerzugeben. Deine Aufgabe ist es dann in den nächsten 1-2 Tagen eine Art Gesprächsprotokoll zu verfassen.
Hast du als Bewerber in den USA die ersten Schritte des Personalauswahlverfahrens bzw. das Vorstellungsgespräch erfolgreich gemeistert, wirst du in der Regel gebeten zwei bis drei Referenzen inkl. der Kontaktdaten einzureichen. Es kann jedoch auch sein, dass du bereits früher im Bewerbungsprozess gebeten wirst, Angaben zu deinen Referenzen zu machen. In Deutschland sind wir es weniger gewohnt, dass Referenzen herangezogen werden. Stattdessen ist es üblich, seinen Bewerbungsunterlagen Arbeitszeugnisse beizulegen. In den USA ist es hingegen allgemein akzeptiert, dass Referenzen kontaktiert werden, um im Lebenslauf angegebene Stationen zu überprüfen oder sich über die Arbeitseinstellung, Leistung und Passung eines Kandidaten zu erkundigen.
Ein Assessment Center (AC )wird als Personalauswahlinstrument meist dann durchgeführt, wenn es sich um eine anspruchsvollere Tätigkeit in einem Unternehmen handelt. Dieses kann einen halben Tag bis mehrere Tage dauern und besteht aus unterschiedlichen Einzel – und Gruppenübungen. Laut einer Studie von Krause und Thornton (2009) sind in Deutschland die AC-Übungen Präsentation, Gruppendiskussion, und Fallstudien weit verbreitet. In den USA muss man hingegen u.a. eher mit den Übungen Rollenspiel, Präsentation und Postkorb rechnen.
Welche verschiedenen Übungen in einem AC eingesetzt werden und wie du dich auf diese vorbereiten kannst, werde ich in einem weiteren Artikel ausführlich behandeln.
Alles zusammen betrachtet, kann man also festhalten, dass die Bewerbungs- und Personalauswahlprozesse in beiden Ländern recht ähnlich ablaufen. Es gibt dennoch zahlreiche, feine Unterschiede, die man kennen sollte, wenn man sich auf das Abenteuer Leben und Arbeiten in den USA einlassen möchte.
Anmerkung: Bitte sei dir bewusst, dass es sich bei diesem Artikel um einen sehr allgemeinen Vergleich handelt. Die konkreten Unterschiede in den Personalauswahlverfahren werden nicht nur von Länderspezifika oder kulturellen Besonderheiten abhängen, sondern auch von vielen weiteren Faktoren wie der Unternehmenskultur , der Unternehmensgröße oder individuellen Vorlieben des zuständigen Personalers.
Interessantes zum Nach- und Weiterlesen:
Krause, D. E. (2010). Trends in der internationalen Personalauswahl. Göttingen, Deutschland: Hogrefe Verlag.
Dieses Buch ist gut geeignet für Personalverantwortliche, die international arbeiten oder für all diejenigen, die sich einen guten wissenschaftlichen Überblick über internationale Auswahlverfahren verschaffen möchten.
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